GEWICHT.REBEN
Aufschlussreiches zu Oechsle & Co.
Gewicht.Reben
Werbung verfolgt ja die Absicht im Gedächtnis ihrer Betrachtung hängen zu bleiben. Irgendwie funktioniert das auch gut. So kann ich mich noch gut an die Fernseh-Reklame eines Rheingauer Sekt-Hauses aus den 90er Jahren erinnern: „Lieber trocken trinken, als trocken feiern.“ Mit dem seligen Götz George. Und hübschen Damen. Auf der Jagd nach einem Schaumwein mit einem seinerzeitigen geschätzten Preis von umgerechnet 4 Euro. Weil nur der die Party retten konnte. Absurd. Ob Schimmi nun auf seiner Privat-Wolke auch dieses Blubber-Elaborat zu sich nimmt, jetzt, wo er damit kein Geld mehr verdienen muss, sondern paradiesisch freie Kost und Logis genießen kann (quasi alles außer Äpfel…)?
Warum haben die Schaumwein-Produzenten seinerzeit bloß „trocken“ als offensichtlich etwas Besonderes herausgestellt? Und was hat es mit Begriffen wie „Prädikat“, „Kabinett“ und „Auslese“ auf sich? Und ist „Oechsle“ die schwäbische Bezeichnung für ein junges männliches Rind, das leider seiner Männlichkeit verlustig gegangen ist? Wir begeben uns auf Spurensuche…
Als „trocken“ bezeichnet man im deutschsprachigen Raum einen Stillwein, der weniger als 9 Gramm Restzucker pro Liter hat. Dabei darf die Gesamtsäure um höchstens 2 Gramm pro Liter niedriger sein als der Restzucker. Als „ganz trocken“ gilt ein Stillwein mit maximal 4 Gramm Restzucker pro Liter.
Bei Schaumwein, der die Bezeichnung „trocken“ trägt, darf der Restzuckergehalt zwischen 17 und 32 Gramm pro Liter liegen.
Bei Schaumwein, der die Bezeichnung „halbtrocken“ trägt, darf der Restzuckergehalt zwischen 32 und 50 Gramm pro Liter liegen.
Im Gegensatz zu den Begriffen „trocken“, „halbtrocken“, „lieblich“ und süß“ ist die Geschmacksangabe „feinherb“ nicht weingesetzlich definiert. Sie umfasst bei Stillweinen einen Bereich von mehr als 9 und deutlich weniger als 45 (also faktisch weniger als 30 oder 35) Gramm Restzucker pro Liter.
Die meisten feinherben Weine haben einen Restzuckergehalt zwischen 15 und 25 Gramm pro Liter und sind damit im Sinne des Weingesetzes entweder halbtrocken (bis 18 Gramm pro Liter) oder lieblich. Von der Bezeichnung „feinherb“ versprechen sich die Winzer eine bessere Vermarktung als mit den originären weingesetzlichen Begriffen.
Als „lieblich“ wird im deutschsprachigen Raum ein Stillwein bezeichnet, der mehr als 18 und weniger als 45 Gramm Restzucker pro Liter hat.
Als „süß“ bezeichnet man im deutschsprachigen Raum einen Stillwein, der mehr als 45 Gramm Restzucker pro Liter hat.
Ein Prädikatswein ist ein Qualitätswein, der aus Trauben in einem fortgeschrittenen Reifezustand hergestellt ist. Als Beurteilungskriterium für die Traubenreife dient dabei das Mostgewicht, also die Summe aller gelösten Stoffe im Traubenmost. Das Mostgewicht wird in Deutschland in Grad Oechsle und in Österreich in Grad KMW (Klosterneuburger Mostwaage) gemessen. Es gilt: Je höher das Mostgewicht, desto höher das Prädikat.
- Kabinett
- Spätlese
- Auslese
- Beerenauslese
- Trockenbeerenauslese
- Eiswein
Weitere Prädikate in Österreich sind Ausbruch und Strohwein bzw. Schilfwein.
Kabinett ist in Deutschland die erste von sechs Prädikatsstufen innerhalb des Qualitätssystems. Die Trauben für einen Kabinett-Wein müssen je nach Anbaugebiet ein Mindest-Mostgewicht von 67 bis 82 Grad Oechsle aufweisen. Davon abgesehen muss der Wein die Kriterien der Kategorie Qualitätswein erfüllen. Kabinett-Weine können in allen Geschmacksrichtungen von trocken bis restsüß ausgebaut werden.
In Österreich müssen die vollreifen Trauben für Weine mit dem Prädikat Spätlese ein Mindest-Mostgewicht von 19 Grad KMW haben. Spätlesen sind hier stets restsüß ausgebaut.
Auslese ist in Deutschland die dritte von sechs Prädikatsstufen innerhalb des Qualitätssystems. Die Trauben für eine Auslese müssen je nach Anbaugebiet ein Mindest-Mostgewicht von 83 bis 100 Grad Oechsle aufweisen. Davon abgesehen muss der Wein die Kriterien der Kategorie Qualitätswein erfüllen. Auslesen sind meistens halbtrocken, lieblich oder süß, können aber auch trocken ausgebaut werden. Die Trauben können mindestens teilweise edelfaul, also vom Edelpilz Botrytis cinerea befallen sein.
In Österreich müssen die vollreifen Trauben für Weine mit dem Prädikat Auslese ein Mindest-Mostgewicht von 21 Grad KMW haben. Auslesen sind hier stets rest- bzw. edelsüß ausgebaut.
Beerenauslese ist in Deutschland die vierte von sechs Prädikatsstufen innerhalb des Qualitätssystems. Die Trauben für eine Beerenauslese müssen je nach Anbaugebiet ein Mindest-Mostgewicht von 110 bis 128 Grad Oechsle aufweisen. Davon abgesehen muss der Wein die Kriterien der Kategorie Qualitätswein erfüllen. Beerenauslesen werden fast ausschließlich lieblich oder süß ausgebaut. Die Trauben können mindestens teilweise edelfaul, also vom Edelpilz Botrytis cinerea befallen sein.
In Österreich müssen die überreifen und/oder edelfaulen Trauben für Weine mit dem Prädikat Beerenauslese ein Mindest-Mostgewicht von 25 Grad KMW haben. Beerenauslesen sind hier stets rest- bzw. edelsüß ausgebaut.
Trockenbeerenauslese ist in Deutschland die fünfte von sechs Prädikatsstufen innerhalb des Qualitätssystems. Die Trauben für eine Trockenbeerenauslese müssen je nach Anbaugebiet ein Mindest-Mostgewicht von 150 bis 154 Grad Oechsle aufweisen. Davon abgesehen muss der Wein die Kriterien der Kategorie Qualitätswein erfüllen. Trockenbeerenauslesen werden ausschließlich lieblich oder süß ausgebaut. Die Trauben müssen überreif und edelfaul, also vom Edelpilz Botrytis cinerea befallen sein, so dass sie rosinenartig eingetrocknet sind.
In Österreich müssen die edelfaulen, eingeschrumpften Trauben für Weine mit dem Prädikat Trockenbeerenauslese ein Mindest-Mostgewicht von 30 Grad KMW haben. Trockenbeerenauslesen sind hier ebenfalls stets edelsüß ausgebaut.
Eiswein ist eine Süßwein-Spezialität der nördlichen Weinbauländer, weil nur in diesen Breitengraden die notwendigen klimatischen Bedingungen vorherrschen. Dies trifft aber auch hier nur für jene Gegenden zu, wo relativ frühe und starke Frosteinbrüche auftreten. In Deutschland und Österreich sind zwar nicht jedes Jahr, aber doch immer wieder solche Bedingungen gegeben. In beiden Ländern ist der Eiswein ein spezieller Weintyp innerhalb der Qualitätswein-Kategorie Prädikatswein. Die Herstellung ist äußerst aufwändig und risikoreich und nicht planbar. Außerdem beträgt die Erntemenge nur einen Bruchteil eines herkömmlichen Weines, was die relativ hohen Preise erklärt. Das Mostgewicht muss in Deutschland und Österreich zumindest einer Beerenauslese entsprechen. Eiswein kann aber nur aus vollreifen Trauben bereitet werden; frieren die Trauben in unreifem Zustand, dann ist der gesamte Traubensaft gefroren und es lässt sich kein höheres Zuckerkonzentrat abpressen. Unbedingte Voraussetzung für die Weinlese ist Frost. Die möglichst gesunden und in der Regel nicht von Botrytis befallenen Trauben müssen bis zum Frosteintritt am Rebstock belassen werden. Das ist zumeist frühestens ab dem Monat November der Fall, kann aber auch erst gegen Ende Jänner des nächsten Jahres zutreffen. Die Außentemperatur muss zumindest fünf Stunden oder bestenfalls länger auf zumindest minus 7 °Celsius oder kälter abfallen und anhalten. Der süße Most mit den Extraktstoffen hat einen tieferen Gefrierpunkt als Wasser. Die Extraktstoffe in den Beeren verhindern aber ein Gefrieren des Wassers bei normalerweise 0 °Celsius. Je tiefer die Temperatur, umso besser gefrieren die Wassermoleküle und es kann dadurch das reine Mostextrakt abgepresst werden. Der ideale Zeitpunkt für die Weinlese ist zumeist der frühe Morgen. Die Trauben müssen danach möglichst schnell und vollständig, das bedeutet ohne Abbeeren gepresst werden. Dabei wird aus den gefrorenen Trauben der konzentrierte Traubensaft mit allen extrakt- und zuckerreichen Inhaltsstoffen von den Eiskristallen getrennt. Nur dieses Mostkonzentrat läuft ab, das Eis (Wasser) bleibt zurück und wird mit dem Trester ausgeschieden. Dies wird von einem amtlichen Prüforgan an Ort und Stelle geprüft. Der Vorgang verläuft sehr langsam und dauert mehrere Stunden, während dieser Zeit darf der Presskuchen nicht oder nur wenig antauen, sowohl aus gesetzlichen wie auch qualitativen Gründen (Absinken des Mostgewichtes).
Das hier erwähnte Mostgewicht ist eine Maßeinheit für die Darstellung der relativen Dichte bzw. des spezifischen Gewichts von Traubenmost, d.h. die Masse (Gewicht) im Verhältnis zum Volumen. Diese auch als Extrakt bezeichnete Masse besteht aus den gelösten Stoffen im Traubenmost. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Zucker (Fructose, Glucose), aber auch Säuren, Mineralstoffe, phenolische Verbindungen, Eiweißstoffe und andere (diese Stoffe finden sich dann zum Teil im Gesamtextrakt des Weines wieder). Das spezifische Gewicht von Traubenmost ist immer größer als 1,0 (Wasser), der Unterschied ergibt sich größtenteils aus dem Zuckergehalt. Den Unterschied „Gewicht eines bestimmten Volumens eines Mostes“ zum „Gewicht des gleichen Volumens an Wasser“ nennt man Gewichtsverhältnis. Die Messung erfolgt mittels Aräometer (Senkwaage), Pyknometer und Refraktometer (Lichtbrechung).
Aus dem Mostgewicht kann annähernd der potenzielle Alkoholgehalt im Wein bei (theoretischer) vollständiger Vergärung des Zuckers abgeleitet werden. Nur annähernd deshalb, weil dies von der Zusammensetzung des Traubenmostes abhängig ist. Zwei Traubenmoste mit gleichem Mostgewicht müssen nicht zwingend den gleichen Zuckergehalt aufweisen. Ein Most mit hohen Mengen an Säure und Mineralstoffen hat entsprechend weniger Zucker gegenüber einem anderen Most, der diese in geringerer Menge enthält. Süßweine, wie zum Beispiel Trockenbeerenauslesen können 60 KMW bzw. 300 Oechsle und mehr erreichen. Natürlich wird bei diesem Weintyp nur ein relativ geringer Teil des Zuckers vergoren.
In den warmen Weinbaugebieten ist das Mostgewicht wenig aussagekräftig. Der Lesezeitpunkt wird dort deshalb nach den Säurewerten bestimmt, die in warmen Klimazonen schwerer zu erreichen sind. Denn der Säuregehalt, der pH-Wert sowie der Gesamtextrakt spielen eine zumindest ebenso wichtige Rolle. Heute wird mit dem Begriff physiologische Reife die Maturation (Reifezustand) der Trauben weit umfassender beschrieben.
Die gebräuchlichsten Maßeinheiten für das Mostgewicht sind:
Das von Christian F. Oechsle (1774-1852) in den 1820er-Jahren entwickelte Verfahren bzw. nach ihm benannte Maßeinheit ist vor allem in Deutschland, Luxemburg und der Schweiz gebräuchlich. Die Oechsle-Waage ist in der Regel auf eine Temperatur von 17,5 °C geeicht. Ein Grad Oechsle (Oe) wird definiert als die Gewichts-Erhöhung von 1000 Milliliter Most um 1 Gramm. Ein Liter Most mit 50 Oe wiegt 1050 Gramm.